ERP-Auswahl und -Einführung im Mittelstand

Aktuelle Statistiken und Fakten (DACH)
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Anzahl der ERP-Projekte pro Jahr im Mittelstand

Der ERP-Markt boomt weiterhin und jedes Jahr starten zahlreiche mittelständische Unternehmen neue ERP-Projekte. Genaue Zahlen sind schwer zu ermitteln, aber der Trend ist klar: Der globale ERP-Markt wurde 2022 auf rund 40 Milliarden Euro geschätzt und soll bis 2027 auf über 51,5 Mrd. € wachsen[1]. Auch in Deutschland liegt der ERP-Umsatz 2022 schon bei ca. 2,13 Mrd. €[2]. Diese Wachstumsraten deuten darauf hin, dass jährlich hunderte neuer ERP-Einführungen stattfinden. Eine repräsentative Umfrage zeigte z.B., dass 66 % der Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern in Deutschland bereits ein ERP-System im Einsatz haben – mit weiter steigender Tendenz[3]. Angesichts dessen planen viele mittelständische Betriebe jedes Jahr Investitionen in modernere ERP-Lösungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Durchschnittliche Dauer von ERP-Auswahl und -Einführung

ERP-Projekte erfordern Zeit: Im Schnitt dauert ein ERP-Auswahl- und Einführungsprojekt im Mittelstand etwa 12 Monate von der Auswahl bis zum Go-Live[4]. Die tatsächliche Projektlaufzeit variiert jedoch nach Unternehmensgröße und Ansatz. Traditionell rechnete man mit gut 15 Monaten für klassische On-Premise-Einführungen, doch der Trend zu Cloud-ERP verkürzt diese Dauer deutlich. Laut Panorama Consulting sank die durchschnittliche Projektlaufzeit zuletzt von ~15,5 auf 9 Monate, was auf schnellere SaaS-Implementierungen zurückgeführt wird[5]. Cloud-ERP-Modelle eliminieren zeitaufwändige Infrastruktur-Aufbauten und beschleunigen die Bereitstellung, sodass Projekte heute oft in unter einem Jahr produktiv gehen können. Dennoch sollten Unternehmen ausreichend Puffer für gründliche Vorbereitung, Datenmigration und Tests einplanen, um nicht durch zu aggressive Timelines in Zeitdruck zu geraten.

Durchschnittliche Kosten von ERP-Projekten

Was kostet ein ERP-Projekt? Die Größenordnung hängt stark von Unternehmensgröße und Anforderungen ab. Eine großangelegte DACH-Studie von Trovarit mit über 15.000 Unternehmen ermittelte durchschnittliche Gesamtkosten von rund 5.917 € pro User für eine ERP-Einführung[6]. Darin sind Softwarelizenzen, Dienstleistungen (Beratung, Implementierung) und ggf. Hardware enthalten. Dabei gilt: Kleinere Firmen zahlen mehr pro Nutzer als große – bei Unternehmen <100 Mitarbeitern lagen die Kosten bei ca. 6.142 € pro User, im Mittelstand (101–499 MA) etwa 5.774 €, und große Firmen (>500 MA) kamen auf ~5.313 € pro Nutzer[7]. International zeichnen Studien ein ähnliches Bild: Der Total Cost of Ownership wird auf 15.000–20.000 USD pro User beziffert, was je nach Wechselkurs ebenfalls ~6.000–7.000 € entspricht[8][9]. Wichtig ist eine realistische Budgetierung – immerhin verzeichneten gut 50 % der ERP-Projekte Budget- oder Zeitüberschreitungen, wobei die meisten Überziehungen moderat (5–35 % des Budgets) blieben[10]. Neben Lizenz- und Implementierungskosten dürfen Unternehmen auch interne Aufwände nicht vergessen: Oft kommen Aufwendungen für Datenmigration, Schulungen und Projektressourcen hinzu, die schwer kalkulierbar sind.

Marktübersicht: ERP-Anbieter und Marktführer im DACH-Raum

Der ERP-Markt ist äußerst fragmentiert. Über 500 ERP-Lösungen sind allein in Deutschland verfügbar[11] – vom Nischenanbieter bis zum globalen Konzern. SAP dominiert als heimischer Marktführer einen großen Teil des Marktes, doch der Wettbewerb im Mittelstand ist vielfältig. Betrachtet man die installierten Nutzerzahlen in deutschen Unternehmen, entfallen knapp die Hälfte (48,3 %) der ERP-Nutzer auf SAP-Systeme[12]. Mit deutlichem Abstand folgen Microsoft Dynamics (rund 10 % Marktanteil) sowie Oracle und Sage (je ca. 5 %)[12]. Daneben tummeln sich zahlreiche weitere Anbieter wie Infor, proALPHA, abas, Epicor und viele spezialisierte Lösungen, die zusammen den restlichen Markt abdecken[13]. Diese Verteilung zeigt: Es gibt nicht nur „die eine“ ERP-Software, sondern eine breite Palette an Anbietern – über die Hälfte des Marktes entfällt auf kleinere Hersteller und Branchenlösungen[14][15]. Für mittelständische Unternehmen bedeutet das einerseits die Qual der Wahl, andererseits die Chance, ein sehr passgenaues System zu finden. SAP bietet mit Produkten wie Business One und Business ByDesign auch Mittelstandslösungen an[16], während Microsoft mit Dynamics 365 Business Central präsent ist. Viele Mittelständler setzen zudem auf etablierte deutsche Lösungen (z.B. proALPHA, abas) oder branchenspezifische Systeme. Insgesamt ist der ERP-Anbietermarkt im DACH-Raum vielfältig, aber SAP bleibt der Gigant – als größtes europäisches Softwarehaus hält SAP global ~22–25 % Marktanteil am ERP-Umsatz und ist insbesondere bei größeren Mittelständlern oft erste Wahl[17].

Verbreitung verschiedener ERP-Systeme im Mittelstand

Im Mittelstand selbst zeigt sich je nach Unternehmensgröße und Branche eine unterschiedliche Verbreitung der Systeme. Viele kleinere und mittlere Unternehmen in DACH nutzen SAP-Lösungen (Business One, ByDesign oder S/4HANA) aufgrund der Skalierbarkeit und lokalen Präsenz von SAP-Partnern. Microsoft Dynamics (NAV/Business Central oder F&O) ist ebenfalls weit verbreitet, gerade in handels- und dienstleistungsorientierten KMU. Laut Marktstudien entfallen rund 33–34 % des weltweiten ERP-Umsatzes auf SAP, während Microsoft etwa 8–10 % hält[13]. In Deutschland ist SAP noch dominanter (ca. 48 % der User)[12], doch im reinen Mittelstandssegment (ohne Großkonzerne) ist der Abstand geringer – hier spielen auch Anbieter wie Sage, Infor, proALPHA, Abas, Epicor, Oracle Netsuite, Odoo u.v.m. wichtige Rollen. So haben z.B. Cloud-basierte Newcomer wie Odoo global bereits ~6 % Marktanteil[18]. Der ERP-Markt im Mittelstand ist also kein Monopolmarkt: neben den „Big Three“ SAP, Microsoft, Oracle gibt es Dutzende Spezialisten. Die Vielfalt an Systemen spiegelt sich auch darin, dass über 50 % der Marktanteile auf kleinere und weniger bekannte ERP-Anbieter entfallen[14]. Für Mittelständler ist es deshalb üblich, in Auswahlprojekten 5–10 verschiedene ERP-Systeme detailliert zu evaluieren, um die optimale Lösung zu finden.

Häufigste Gründe für das Scheitern von ERP-Projekten

Trotz großer Sorgfalt scheitern manche ERP-Projekte – sei es durch Abbruch oder weil sie Ziele verfehlen. Warum? Studien und Expertenanalysen nennen immer wieder ähnliche Gründe. Ein zentrales Problem ist unzureichende Planung und Vorbereitung: Viele Unternehmen unterschätzen Aufwand und Komplexität. „Planung ist absolut nötig, wenn man ein ERP-Projekt erfolgreich abschließen möchte“, mahnt etwa Erik Kaas (Sage) – fehlt ein gründliches Verständnis der eigenen Prozesse vor Projektstart, sind Verwirrung und Fehlentscheidungen vorprogrammiert[19]. Ein weiterer häufiger Stolperstein ist die unzureichende Einbindung der Nutzer. Wenn Key-User und Fachabteilungen nicht von Anfang an beteiligt werden, werden Anforderungen übersehen und die Akzeptanz leidet[20][21]. Auch mangelnde Schulung zählt zu den Top-Gründen: „Das Fehlen angemessener Trainingsmaßnahmen ist einer der häufigsten Gründe für das Scheitern von ERP-Projekten“, warnt Kaas[22]. Weitere Klassiker auf der Liste der ERP-Pannenursachen sind:
  • Scope Creep (ständig neue Anforderungen während des Projekts),
  • Datenprobleme (schlechte Datenqualität und unterschätzter Migrationsaufwand führen zu Chaos)[23],
  • Personalmangel (fehlende Ressourcen im Projektteam),
  • fehlendes Change Management (Widerstände der Anwender werden ignoriert)[24],
  • sowie ungeeignete Partnerwahl (Auswahl eines ERP-Systems, das nicht passt, oft aufgrund oberflächlicher Anbieter-Evaluation[25]).
Viele dieser Faktoren hängen zusammen – z.B. resultiert schlechte Planung oft in Zeitdruck, was wiederum zu Kürzungen bei Tests oder Schulungen führt. Wer diese wiederkehrenden Fehler kennt, kann präventiv gegensteuern (siehe Erfolgsfaktoren unten).

Erfolgsfaktoren bei ERP-Auswahl und -Einführung

Was macht ERP-Projekte erfolgreich? Aus vielen Studien und Praxisberichten lassen sich mehrere Schlüsselfaktoren ableiten:
  • Klare Ziele und Business Case: Definieren Sie von Beginn an messbare Projektziele (z.B. Prozesseffizienz steigern, Skalierbarkeit sichern). Ohne klare Ziele kann man Erfolg nicht messen[21]. Laut Gartner scheitern über 70 % der ERP-Projekte daran, ihre ursprünglich gesteckten Geschäftsziele zu erreichen[26] – häufig, weil diese Ziele nie präzise definiert wurden.
  • Top-Management Support: Ein erfolgreiches ERP-Projekt braucht Rückendeckung von oben. Aktive Unterstützung der Geschäftsführung über das gesamte Projekt hinweg sorgt für Ressourcen, schnelle Entscheidungen und signalisiert Priorität[27]. Projekte mit echtem Executive Sponsorship haben deutlich höhere Erfolgsquoten.
  • Gründliche Prozessanalyse vor Auswahl: Bevor man ein System auswählt, sollten die eigenen Prozesse und Anforderungen detailliert aufgenommen werden. Unternehmen, die ERP als reines IT-Tool betrachten, laufen Gefahr, ihre Prozesse dem System anzupassen statt umgekehrt[28]. Erfolgreiche Projekte verstehen ERP als Business-Transformation, nicht als Softwarekauf.
  • Auswahl des richtigen Anbieters: Statt sich von Marketing blenden zu lassen, sollten Anbieter konsequent anhand der Anforderungen und Referenzen bewertet werden[25]. Mehrere sollen Live-Demos mit Echtdaten durchführen und branchenspezifische Referenzen liefern. Die Passung ist wichtiger als der große Name – ein Nischenanbieter kann der perfekte Fit sein, wenn er die Branche versteht.
  • Einbindung der Key-User und Change-Management: Vom Start weg müssen Key User aus allen betroffenen Abteilungen ins Projektteam. Ihre Fachkenntnis stellt sicher, dass Prozesse korrekt abgebildet werden, und sie fungieren später als Multiplikatoren[20]. Change-Management ist essentiell, um Akzeptanz zu schaffen – Mitarbeiter brauchen frühzeitig Kommunikation zum Warum der Einführung und intensive Schulung. Firmen, die aktiv auf Benutzerängste eingehen und interne ERP-Champions etablieren, meistern den Change deutlich besser[24].
  • Realistische Zeit- und Budgetplanung: Erfolgreiche Projekte planen mit Puffer. Die Timeline sollte Puffer für Tests, Datenbereinigung und Parallelbetrieb enthalten, da unerwartete Herausforderungen fast immer auftreten[29]. Ebenso gilt es, ein realistisches Budget inklusive aller Nebenkosten aufzustellen. Externe Benchmarks zeigen, dass ERP-Gesamtkosten oft 3–6 % des Jahresumsatzes betragen[6][30] – diese Größenordnung kann als grobe Richtschnur dienen.
  • Schulung und Wissenstransfer: Ein oft unterschätzter Erfolgsfaktor ist das Training der Endanwender. Nur wenn die Belegschaft das neue System beherrscht und versteht, können die versprochenen Effizienzgewinne realisiert werden. Dennoch geben nur 46 % der ERP-Anwender an, die Funktionen ihrer Software wirklich gut zu verstehen[31] – hier liegt enormes Potenzial brach. Erfolgreiche Projekte investieren früh und kontinuierlich in Schulungen und Dokumentation, um die Nutzungstiefe zu erhöhen.
  • Schrittweises Vorgehen: Über 50 % der Unternehmen bevorzugen heute eine phasenweise Implementierung (modulares Roll-out) statt eines „Big Bang“[32]. Ein gestuftes Vorgehen (z.B. erst Kernmodule, dann Erweiterungen) senkt Risiken, da Probleme in kleinerem Rahmen gelöst werden können, bevor man weiter ausrollt.
  • Externe Expertise nutzen: Nicht zuletzt kann der Einsatz erfahrener ERP-Berater die Erfolgschancen erheblich steigern. Unternehmen, die unabhängige Experten hinzuziehen, berichten von 85 % Erfolgsquote ihrer Implementierungen[33]. Berater bringen Best Practices mit, helfen bei realistischer Planung und können zwischen Anbieter und Kunde vermitteln. Wichtig ist aber Transparenz: Laut Panorama Consulting waren unterschätzte Beratungskosten nur in wenigen Fällen schuld an Budgetüberziehungen[34] – d.h. gute Berater arbeiten mit klaren Leistungsvereinbarungen.
Diese Erfolgsfaktoren zeigen: Menschen und Prozesse sind oft wichtiger als die gewählte Software an sich. Mit der richtigen Vorbereitung, dem passenden Projektteam und realistischen Erwartungen lassen sich ERP-Projekte auch im Mittelstand erfolgreich und im Budgetrahmen abschließen.

Amortisationsdauer: Wann rechnet sich ein ERP-System?

Ein ERP-System ist eine große Investition – aber nach welcher Zeit zahlt sie sich aus? Untersuchungen zeigen, dass der typische Payback-Zeitraum bei etwa 2–3 Jahren liegt[35]. Das heißt, rund 24–36 Monate nach Go-Live haben die meisten Unternehmen die Investitionskosten durch Einsparungen und Effizienzgewinne wieder hereingeholt. Natürlich variiert dies je nach Projektumfang und Unternehmensgröße: Kleinere ERP-Projekte können sich schneller amortisieren, während sehr umfangreiche Roll-outs in Konzernen länger brauchen. Eine Studie von Nucleus Research fand beispielsweise einen durchschnittlichen ERP-Break-Even nach 16 Monaten sowie >200 % ROI über den gesamten Nutzungszeitraum[36]. Generell berichten aber die allermeisten Mittelständler von spürbaren Verbesserungen nach Einführung: Laut Panorama Consulting sahen 97 % der Unternehmen nach erfolgreicher ERP-Implementierung deutliche Verbesserungen in Prozessen und KPI[26]. Auch konkret lassen sich Nutzen beziffern: 62 % der Firmen reduzieren mit ERP ihre Kosten (v.a. durch bessere Einkaufs- und Lagersteuerung)[37][38], 78 % verzeichnen Produktivitätssteigerungen[39] und 77 % eliminieren Datensilos für eine bessere bereichsübergreifende Zusammenarbeit[40]. Diese Effekte schlagen sich mittelbar in höherer Profitabilität nieder. Der Return on Investment (ROI) eines ERP-Projekts liegt im Schnitt bei etwa 52 %[8][41] – d.h. 1 € Investment bringt langfristig ~1,52 € zurück. Entscheidend ist jedoch, dass Unternehmen den ROI aktiv messen und steuern: Von den Firmen, die vorab einen Business Case mit ROI-Analyse erstellt haben, erreichen 83 % am Ende auch die gesteckten ROI-Ziele[42]. Wer also früh klare Nutzenmetriken definiert (z.B. Zeitersparnis, Bestandsreduzierung, schnellere Abschlüsse), kann den Erfolg des ERP-Systems transparent nachverfolgen. Insgesamt lässt sich festhalten: Ein ERP-System amortisiert sich bei mittelständischen Unternehmen meist innerhalb von 2–3 Jahren, und die Prozessverbesserungen wirken noch weit darüber hinaus.

Fehlschlagsquoten: Wie viele ERP-Projekte scheitern oder werden abgebrochen?

Die Erfolgsbilanz von ERP-Projekten wird in verschiedenen Studien unterschiedlich bewertet – je nach Definition von „Scheitern“. Vollständige Projektabbrüche (wo das System nie produktiv geht und das Projekt eingestellt wird) sind zum Glück relativ selten: In neueren Umfragen bezeichneten nur rund 2 % der Unternehmen ihre ERP-Implementierung als gescheitert[43]. Die überwältigende Mehrheit bringt das Projekt also zum Laufen – notfalls mit Verzögerung. Allerdings heißt „Go-Live“ nicht automatisch, dass alle Projektziele erreicht wurden. Gartner berichtet, dass über 70 % der ERP-Projekte nicht alle ursprünglich definierten Business-Ziele erfüllen[26]. Viele Projekte brauchen länger, werden teurer oder liefern nicht den erwarteten Nutzenumfang – was man als „partielles Scheitern“ betrachten kann. So ergab die Trovarit-Studie, dass in gut 50 % der ERP-Projekte Zeitplan oder Budget überschritten wurden[10]. Auch Panorama Consulting stellt fest, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Firmen im geplanten Budget bleibt; der Median der Projektkosten lag bei ca. 625.000 $[44]. Oft werden während des Projekts zusätzliche Anforderungen entdeckt: Bei 40 % der über Budget gegangenen Projekte wurden der Personalaufwand unterschätzt, und etwa die Hälfte musste noch zusätzliche Technologie nachkaufen, die ursprünglich nicht eingeplant war[45][46]. Zeitliche Verzögerungen sind ebenso verbreitet – einige Studien berichten von durchschnittlich 30 % längeren Projektlaufzeiten als geplant[47]. Die Mehrzahl der ERP-Projekte verfehlt also ambitionierte Vorgaben in Zeit oder Kosten, scheitert aber nicht komplett. Mitunter wird in der Branche zitiert, „50 % der ERP-Einführungen schlagen im ersten Anlauf fehl“[48] – was dramatisch klingt, aber meist bedeutet, dass in der ersten Runde z.B. das Budget nicht gehalten oder das Projekt neu aufgesetzt werden musste. Wichtig ist: Totalausfälle sind selten, doch Trouble-Projekte sind häufig. Daher sollte man von Beginn an ein aktives Risikomanagement betreiben (Puffer, Change-Management, ggf. externes Coaching), um sich in die erfolgreiche Hälfte der Statistik einzureihen.

Rolle externer Berater in ERP-Projekten

Gerade im Mittelstand stellt sich die Frage: Brauchen wir externe Beratung für ERP-Auswahl und -Einführung? Viele tun es – und profitieren davon. Externe ERP-Experten bringen Marktüberblick und Projekterfahrung ein, die intern oft fehlt. Laut einer Auswertung erreichen 85 % der Firmen, die ERP-Berater einsetzen, ihre Implementierungsziele erfolgreich[33]. Unabhängige Berater können helfen, realistische Anforderungen zu formulieren, passende Anbieter auszuwählen und das Projektmanagement zu stärken. Wichtig ist, dass die Beratenden technologie-agnostisch und wirklich unabhängig agieren (keine Verkaufsagenda). In DACH arbeiten viele Mittelständler z.B. mit Beratungshäusern wie Trovarit, BARC oder Deloitte/PwC zusammen, um methodische Unterstützung zu erhalten. Ein positiver Nebeneffekt: Risiken werden früh erkannt. So zeigen Studien, dass die häufigsten Ursachen für Budgetüberschreitungen – etwa unterschätzter Personalaufwand – mit externer Hilfe besser kalkuliert werden[45]. Auch die Auswahlphase lässt sich durch Berater abkürzen, da Best Practices und Vorauswahl geeigneter Systeme bereitgestellt werden. Die Kosten für Beratung machen zwar einen Teil des Budgets aus, aber laut Panorama war „unterschätztes Beraterhonorar“ in kaum einem Fall der Grund für Kostenexplosionen[34] – d.h. mit transparenten Angeboten lässt sich das gut steuern. Externe Berater fungieren zudem oft als Bindeglied zwischen Anbieter und Kunde, übersetzen die unterschiedlichen „Sprachen“ und sorgen für eine sachliche, lösungsorientierte Projektkultur. Zusammengefasst: Externe Beratung ist im Mittelstand üblich und kann ein entscheidender Erfolgsfaktor sein – vorausgesetzt, man wählt einen Partner, der zum Unternehmen passt und wirklich neutral berät.

Key-User-Beteiligung: Wie wichtig ist die Einbindung der Anwender?

Ohne die Menschen geht es nicht. Die frühzeitige und aktive Einbindung von Key-Usern (Schlüsselanwendern aus den Fachabteilungen) gilt als kritischer Erfolgsfaktor in ERP-Projekten. Diese „Power User“ kennen die Prozesse im Detail und fungieren als Vertreter der Endanwender. Wenn Key-User von Anfang an im Projektteam mitarbeiten, stellen sie sicher, dass die Praxisanforderungen verstanden und berücksichtigt werden. Zudem fördern sie die Akzeptanz des neuen Systems, weil Kolleginnen und Kollegen einen vertrauten Ansprechpartner haben. Viele Studien zeigen indirekt die Bedeutung dieser Beteiligung: Wird sie vernachlässigt, steigt das Risiko von Widerständen und Fehlanwendungen. „Ohne Stakeholder-Involvement erhält man Widerstand statt Akzeptanz“, bringt es eine Analyse auf den Punkt[21]. In der Praxis versäumen es dennoch manche Firmen, die richtigen Leute ins Team zu holen – häufig aus Angst, diese würden im Tagesgeschäft fehlen[20]. Dies ist ein Trugschluss, denn fehlende Fach-Expertise im Projekt rächt sich teuer (Nacharbeiten, Fehlkonfigurationen). Key-User sollten idealerweise aus allen betroffenen Bereichen kommen (Einkauf, Produktion, Vertrieb, Finance etc.) und genügend Zeit für Workshops, Tests und Schulungen bekommen. Ihre Rolle ist auch, nach dem Go-Live als First-Level-Support und Multiplikator zu dienen. Interessant ist eine Kennzahl aus einer Umfrage: Nur 46 % der ERP-Anwender meinen, die Funktionen ihres Systems gut zu verstehen[31]. Das deutet darauf hin, dass in vielen Projekten Wissenslücken bleiben – etwa weil Key-User nicht ausreichend geschult wurden oder ihr Wissen nicht effektiv an Endnutzer weitergegeben wurde. Hier zeigt sich die Wichtigkeit von intensiver Schulung (Train-the-Trainer) und Dokumentation durch die Key-User. Erfolgreiche ERP-Einführungen zeichnen sich oft dadurch aus, dass Key-User echtes Ownership übernehmen: Sie tragen Verantwortung für „ihre“ Module, führen interne Schulungen durch und kontinuierlich Verbesserungen nach dem Go-Live. Unternehmen, die diese Kultur fördern, berichten von wesentlich reibungsloseren ERP-Projekten. Zusammengefasst: Die Key-User-Beteiligung ist in nahezu jedem ERP-Projekt entscheidend – ohne sie drohen Akzeptanzprobleme, mit ihr steigt die Chance auf eine wirklich gelebte Nutzung des Systems.

Cloud-ERP vs. On-Premise: Welche Rolle spielt die Cloud im Mittelstand?

Die Frage Cloud oder On-Premise ist für ERP heute strategisch wichtig. Traditionell dominierte im Mittelstand lange die On-Premise-Installation (ERP auf eigenen Servern), doch Cloud-Lösungen holen stark auf. Weltweit nutzen inzwischen rund 53–65 % der Unternehmen mit ERP Cloud-basierte Systeme oder Module[49][50]. Im Jahr 2023 entschieden sich z.B. 65 % der neuen ERP-Kunden für Cloud/SaaS, nur 35 % für klassische Inhouse-Systeme[50]. Im DACH-Raum ist der Wandel etwas zögerlicher: Hier setzen nach wie vor ca. 90 % der verfügbaren ERP-Systeme auf eine On-Premise-Option, d.h. die meisten Anbieter bieten ihre Lösung (auch) für den Betrieb im eigenen Rechenzentrum an[51]. Allerdings steigt das Cloud-Angebot rapide – 2024 bieten bereits 72 % der ERP-Anbieter eine SaaS-Variante an (2018 waren es 65 %)[51]. Auf Anwenderseite wächst die Akzeptanz: 2018 konnten sich nur 7 % der IT-Leiter vorstellen, ERP aus der Cloud zu beziehen; 2024 sind es unter Auflagen (EU-Hosting, Sicherheit) bereits 47 %[52]. Besonders neue Projekte tendieren zur Cloud, weil dort die Implementierungszeit kürzer und der Betrieb outgesourct ist[5]. Vorteile von Cloud-ERP sind u.a. schnellere Updates, ortsunabhängiger Zugriff, Skalierbarkeit und geringere Anfangsinvestitionen (OPEX statt CAPEX). Der Migrationsdruck Richtung Cloud nimmt auch zu, da Hersteller wie SAP perspektivisch auf cloudbasierte Angebote setzen (z.B. S/4HANA Public Cloud). Dennoch bleiben On-Premise-ERP im Mittelstand relevant – gerade wo individuelle Anpassungen, Integrationen zu Spezialmaschinen oder Datensouveränität wichtige Rollen spielen. Viele Unternehmen wählen daher hybride Strategien: Kern-ERP on-prem, ergänzende Module (CRM, HR) in der Cloud, oder sie starten in der Private Cloud. Ein Bitkom-Report zeigt z.B., dass 90 % der mittelständischen ERP-Nutzer mobil via Notebook aufs System zugreifen, aber nur 25 % via Tablet – was impliziert, dass klassische Desktop-Clients noch verbreitet sind[53]. Allerdings steigt die Nachfrage nach Cloud-Zugriff und Mobile ERP deutlich. Zusammengefasst: Cloud-ERP gewinnt auch im Mittelstand an Bedeutung, gerade für neue Projekte. On-Premise wird aber kurz- bis mittelfristig koexistieren. Für Kunden heißt das, beide Optionen sorgfältig abzuwägen – oft geben Branchenanforderungen und IT-Strategie den Ausschlag (z.B. Cloud-First-Policy vs. eigene Datensicherheit). Wichtig ist, dass moderne ERP-Systeme Cloud-ready sind, damit der Umstieg bei Bedarf möglich ist.

Branchenabhängigkeiten: Unterschiede bei ERP in Industrie, Handel, Dienstleistungen

Die Anforderungen an ERP variieren je nach Branche erheblich – und damit auch die Verbreitung und Herangehensweise. Industrie & Fertigung sind traditionell die stärksten ERP-Nutzer: Die fertigungsnahe Industrie macht rund 36–37 % des ERP-Marktes aus (nach Umsatz) und war lange Leitbranche für ERP-Entwicklung[54]. Funktionen wie Produktionsplanung, Materialwirtschaft und Supply Chain stehen hier im Vordergrund. Entsprechend gibt es viele spezialisierte Branchen-ERP für die Fertigung (z.B. Infor, proALPHA, Epicor). Daneben zählen Dienstleistungen (~14 %), Groß- und Einzelhandel (~10 %) sowie IT/Telekom (~5 %) zu den wichtigen ERP-Abnehmern[55]. Im Handel sind z.B. Funktionen wie Lagerverwaltung, Kassensystem-Integration und E-Commerce-Schnittstellen entscheidend. Dienstleister legen Wert auf Projektmanagement, Ressourcenplanung und Fakturierung im ERP. In den letzten Jahren holen einige Branchen auf, die früher weniger ERP-lastig waren: Gesundheitswesen, Bauwesen und der öffentliche Sektor setzen zunehmend auf ERP-Lösungen, teils getrieben durch Anforderungen an Datenintegrität und Nachvollziehbarkeit[55]. Laut Allied Market Research wird etwa der Healthcare-Sektor bis 2030 das höchste ERP-Wachstum verzeichnen, da dort das Management riesiger Datenmengen (Patientendaten, Abrechnungen) immer wichtiger wird[56]. Branchenabhängig ist auch die ERP-Einführungsdauer und -kultur: Fertigungsbetriebe planen oft länger und schrittweiser, da ein Produktionsstopp teuer wäre – hier sind Iteration und Prototyping im laufenden Betrieb gängig. Im Handel muss ein ERP häufig in engen Zeitfenstern (z.B. außerhalb der Saison) live gehen, um das Tagesgeschäft nicht zu stören. Daher setzen Handelsunternehmen vermehrt auf Standardnahe Cloud-Lösungen, die schnell implementierbar sind. Dienstleister wiederum achten stark auf Usability und CRM-Integration, weil Mitarbeiterakzeptanz und Kundendatenmanagement Kernpunkte sind. Eine weitere Besonderheit: Branchensoftware vs. generische ERP. In speziellen Branchen (z.B. Lebensmittelproduktion, Chemie, Mode) gibt es oft Nischen-ERP mit sehr spezifischen Funktionalitäten (Rezepturverwaltung, Chargenrückverfolgung, Variantenkonfiguration etc.). Mittelständler in solchen Branchen müssen entscheiden, ob sie eine Speziallösung nehmen (die passgenau ist, aber evtl. kleiner Anbieter) oder ein großes ERP anpassen lassen. Der Trend geht dahin, dass große ERP-Suiten immer mehr Branchenfunktionen ab Werk anbieten – z.B. integrieren viele ERP inzwischen branchentypische Module wie MES, CRM oder DMS in ihr Portfolio[57]. Zusammengefasst unterscheiden sich ERP-Projekte nach Branche in Schwerpunkten und Erfolgsfaktoren: Während in der Industrie Themen wie Produktionsplanung, Stücklisten und IoT-Integration dominieren, sind es im Handel eher Omnichannel-Fähigkeiten und Logistik, in der Dienstleistung Projekt- und Ressourcenmanagement. Die Fehlerkultur variiert ebenfalls – etwa IT-nahe Branchen experimentieren eher mit neuen Cloud-ERP, während klassische Industrien vorsichtiger migrieren. Dennoch gilt branchenübergreifend: Integrierte Prozesse und Echtzeit-Daten sind heute überall ein Muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sei es in der Produktion, im Krankenhaus oder im Online-Shop.

Typische Fehler bei der ERP-Auswahl und -Einführung

Neben den großen „Scheitergründen“ (siehe oben) gibt es eine Reihe typischer Fehler, die im ERP-Projektalltag immer wieder vorkommen. Dazu zählen:
  • Übereiltes Vorgehen bei der Auswahl: Manche Unternehmen stürzen sich in die Systemauswahl, ohne vorher interne Prozesse analysiert zu haben. Das kann dazu führen, dass man vom Hochglanz-Vertrieb eines Anbieters verführt wird und später merkt, dass die Software die eigenen Abläufe nicht ideal unterstützt[25][28]. Besser: Erst Lastenheft und Soll-Konzept erstellen, dann Anbieter vergleichen.
  • Fokus nur auf Funktionen, nicht auf Bedienung: Oft wird primär eine Funktions-Checkliste abgearbeitet. Übersehen wird, wie benutzerfreundlich und verständlich ein System für die Mitarbeiter ist. Ein komplexes ERP mit unübersichtlicher Oberfläche kann trotz Funktionsfülle scheitern, wenn die User nicht damit klarkommen. Usability-Tests und Probeinstallationen mit Key-Usern sind daher empfehlenswert.
  • Unterschätzung von Zeit- und Ressourcenbedarf: Ein Kardinalfehler ist, die Projektbelastung neben dem Tagesgeschäft zu niedrig anzusetzen. „Den Aufwand unterschätzen alle Firmen, und das gleich grob“, so ein ERP-Berater treffend[58]. Wird kein dediziertes Projektteam freigestellt, gerät das Projekt ins Hintertreffen. Faustregel: Pro 1.000 € Softwarekosten sollten ~1 Personstunde für Implementierung eingeplant werden – ohne externe Hilfe sogar das Doppelte[59].
  • Die falschen Leute im Team: Wie erwähnt, ist es ein Fehler, nur IT oder nur Führungskräfte einzubeziehen. Fehlen die operativen Prozesskenner im Team, kommt es später zu Akzeptanzproblemen[20]. Ebenso riskant: Einseitige Teams (nur ein Department treibt das Projekt). ERP muss interdisziplinär aufgesetzt werden.
  • Kein Changemanagement/Training: Ein sehr verbreiteter Fehler ist, Schulungen erst am Ende einzuplanen oder minimal zu halten. Manche Unternehmen denken, mit Go-Live erledigt sich der Rest – dabei fängt die eigentliche Arbeit mit den Endnutzern dann erst an. Unzureichende Trainings führen dazu, dass das System falsch oder gar nicht benutzt wird. Wie erwähnt sehen Experten mangelnde Schulung als häufigen Scheiterfaktor[22].
  • Schlechte Datenqualität ignorieren: In der Hektik der Einführung bleibt oft zu wenig Zeit, die Altdaten aufzuräumen. “Garbage in, garbage out” gilt aber auch bei ERP: Werden z.B. Dubletten, veraltete Stammdaten oder falsche Preise ungeprüft migriert, verursacht das enormes Chaos nach dem Start[23]. Ein typischer Fehler ist, den Aufwand der Datenmigration massiv zu unterschätzen – was dann zu Projektverzögerungen führt.
  • Übermäßiges Customizing: Ein weiterer Stolperstein ist der Drang, das ERP von Tag 1 an bis ins letzte Detail anzupassen. Zu viel Individualprogrammierung erhöht Kosten, birgt Update-Risiken und verlängert die Einführung. Erfolgreiche Mittelständler vermeiden den Fehler, alle Sonderwünsche umzusetzen, sondern starten eher nahe am Standard und verbessern iterativ. Ein ERP-Projekt kann scheitern, wenn man versucht, jede Altgewohnheit 1:1 in der neuen Software abzubilden (Stichwort: ERP mit der Gießkanne[60]).
  • Legacy-Systeme nicht abschalten: Ein subtiler Fehler ist, alte Insellösungen parallel weiterzubetreiben, weil man sich nicht trennen mag. Bleiben Excel & Co. im Untergrund im Einsatz, wird das neue ERP umgangen und kann keinen vollen Nutzen entfalten[61]. Daher: Alt-Systeme konsequent ablösen, sobald das ERP stabil läuft.
Viele dieser Fehler lassen sich durch Erfahrungswissen vermeiden. Daher nochmals der Rat: Erfahrene Beratung hinzuziehen oder zumindest aus Best Practices lernen. Eine Checkliste der „Don’ts“ und regelmäßige Projekt-Assessments (z.B. durch einen externen Qualitätsmanager) können helfen, typische Fallstricke früh zu erkennen und zu beheben.

Häufig gestellte Fragen zur ERP-Auswahl (FAQ)

Wie lange dauert die Einführung eines ERP-Systems? – Die Dauer hängt von Umfang und Firmengröße ab. Im Mittelstand kann man ungefähr mit 9–12 Monaten rechnen[4][5]. Traditionelle On-Premise-Projekte dauern oft ein Jahr oder länger, während Cloud-ERP-Projekte teils schon in unter 9 Monaten live gehen[5]. Wichtig sind eine gründliche Vorbereitung und ausreichende Testphasen, um einen reibungslosen Start zu gewährleisten. Was kostet ein ERP-System im Mittelstand? – Die Kosten setzen sich aus Lizenz, Implementierung (Beratung, Anpassung), Hardware/Hosting und Schulungen zusammen. Durchschnittlich liegen die Einführungskosten bei etwa 5.000–6.000 € pro User[6]. Beispielsweise kann ein Unternehmen mit 50 Usern also grob 250.000–300.000 € für ein ERP-Projekt veranschlagen. Kleinere Unternehmen zahlen relativ mehr pro Nutzer (bis ~6.000 €), größere etwas weniger[7]. Alternativ kann man mit 3–6 % des Jahresumsatzes als Investitionssumme rechnen[6]. Cloud-Systeme verlagern einen Teil der Kosten in monatliche Gebühren, sodass die Anfangsinvestition geringer ist, aber über die Jahre summieren sich die Abo-Kosten. Wichtig: Unvorhergesehene Kosten entstehen oft durch Customizing, interne Aufwände oder Projektverzögerungen, daher immer Puffer einplanen. Wie wähle ich den richtigen ERP-Anbieter aus? – Die Auswahl des passenden ERP erfordert systematisches Vorgehen. Zunächst sollten Anforderungen und Ziele des Projekts klar definiert werden (Lastenheft). Dann erstellt man eine Longlist möglicher Anbieter – im DACH-Raum gibt es über 500 ERP-Lösungen[11], davon kommen je nach Branche und Größe vielleicht 5–15 in Frage. Über Fachportale, Vergleichsplattformen oder Beratung (z.B. BARC, Trovarit) kann man diese eingrenzen. Wichtig ist ein detaillierter Vergleich: Fordern Sie Demo-Präsentationen an, idealerweise mit Referenzprozessen Ihres Unternehmens. Sprechen Sie mit Referenzkunden der Anbieter, insbesondere solche aus Ihrer Branche[62]. Achten Sie nicht nur auf Funktionslisten, sondern auch auf Usability, lokale Unterstützung, Weiterentwicklung und natürlich die Kosten. Marktführer wie SAP, Microsoft, Oracle haben breite Lösungsportfolios, während spezialisierte Mittelstands-Anbieter wie Sage, proALPHA, Abas oder branchenspezifische Lösungen oft näher an den speziellen Bedürfnissen sind. Praxis-Tipp: Lassen Sie Anbieter im Auswahlprozess konkrete Use Cases mit Ihren Daten durchspielen, um die Passfähigkeit zu prüfen[63]. Und holen Sie bei Unklarheiten einen unabhängigen ERP-Berater hinzu – dieser kann neutral die Stärken/Schwächen der Optionen beleuchten. Die richtige Wahl trifft man, wenn 80–90 % Ihrer Must-have-Anforderungen im Standard abgedeckt sind und Sie dem Anbieter (Produkt und Projektpartner) vertrauen. Welche Risiken und typischen Stolpersteine gibt es bei ERP-Projekten? – ERP-Projekte bergen einige Risiken, die man kennen sollte: Budgetüberschreitungen (bei ~50 % der Projekte)[10] treten auf, wenn Aufwände unterschätzt oder Änderungen am Scope vorgenommen werden. Zeitverzug ist ebenfalls häufig – im Schnitt dauern Projekte ~30 % länger als geplant[64]. Die Hauptgründe dafür sind oft menschlich-organisatorisch: fehlende Ressourcen, unzureichende Planung oder Widerstand der Anwender. Ein großes Risiko ist auch die Überforderung der Mitarbeiter – wenn kein gutes Change-Management gemacht wird, drohen Akzeptanzprobleme bis hin zur Sabotage des neuen Systems. Technische Risiken (z.B. Leistungsprobleme, Datenverlust bei Migration) lassen sich durch gründliche Tests und Backups minimieren. Scheitern Projekte komplett? Vollabbrüche sind selten (ca. 2 %)[43], aber viele erreichen nicht den vollen Nutzen. Laut Gartner verfehlen über 70 % der ERP-Projekte zumindest teilweise die Erwartungen[26]. Das größte „Risiko“ ist demnach, dass man zwar live geht, aber z.B. Prozesse nicht optimal laufen oder Benutzer das System umgehen. Dem beugt man vor, indem man typische Fehler (siehe oben) vermeidet: also ausreichend plant, Key-User einbindet, realistische Ziele setzt und nicht am Training spart. Externe Beratung kann helfen, Risiken früh zu erkennen (z.B. ob der Zeitplan unrealistisch ist). Last but not least sollte man einen Notfallplan haben – was tun, wenn der Go-Live schiefgeht? Etwa ein Fallback mit dem Altsystem für ein paar Tage. Mit solcher Vorbereitung können die größten Risiken beherrscht werden und Ihr ERP-Projekt wird eher zur Erfolgsgeschichte als zum abschreckenden Beispiel. Cloud oder On-Premise – welche ERP-Variante soll ich wählen? – Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile, die Entscheidung hängt von Ihrer Situation ab. Cloud-ERP (Software-as-a-Service) bietet den Vorteil geringer Anfangskosten, schnellerer Einführung und Auslagerung des Betriebs (Updates, Server etc. übernimmt der Anbieter). Viele mittelständische Unternehmen schätzen die Skalierbarkeit und die ständige Aktualität der Cloud-Lösungen. Zudem ermöglichen Cloud-ERPs einfachen mobilen Zugriff über Browser – wichtig in Zeiten von Homeoffice und verteilten Teams. Allerdings gibt es auch Bedenken: Datenschutz und Sicherheit (wo liegen meine kritischen Unternehmensdaten?), Abhängigkeit vom Anbieter und begrenztere Individualisierung. On-Premise-ERP hingegen gibt Ihnen maximale Kontrolle über Daten und Systeme, lässt sich oft stärker maßschneidern und kann sich bei sehr langfristiger Nutzung auch kostengünstiger herausstellen (keine dauernden Mietkosten, sondern einmalige Lizenz und interne IT). In der Praxis geht der Trend zur Cloud: 2023 entschieden sich ~65 % der ERP-Neukunden für Cloud-Systeme[50]. Dennoch nutzen im deutschsprachigen Raum noch viele Firmen On-Premise-Lösungen (die meisten ERP-Anbieter bieten beides an)[51]. Empfehlung: Prüfen Sie, ob spezielle Gründe für On-Premise vorliegen – z.B. strenge regulatorische Vorgaben, fehlende Internetanbindung, bestehende IT-Infrastruktur, oder extreme Anpassungsbedarfe. Wenn nein, kann ein Cloud-ERP vorteilhaft sein, vor allem wenn Sie eine schnelle Implementierung wünschen und keine große IT-Abteilung haben. Einige Unternehmen wählen auch Hybrid-Modelle: kritische Module On-Premise, weniger kritische in der Cloud. Wichtig ist, dass der ERP-Anbieter Ihrer Wahl eine Cloud-Roadmap hat, damit Sie im Zweifel später wechseln können. Insgesamt lässt sich sagen: Cloud-ERP ist die Zukunft, aber im Mittelstand wird On-Premise in den nächsten Jahren noch koexistieren – die Entscheidung sollte daher individuell entlang Ihrer Anforderungen getroffen werden.

Fazit

ERP-Auswahl und -Einführung sind komplexe Vorhaben, doch mit aktuellen Marktzahlen und Best Practices im Hinterkopf können Mittelständler das Risiko deutlich senken. Der DACH-Raum bietet eine Fülle kompetenter Anbieter und Berater. Wer strukturiert vorgeht, die Mitarbeiter mitnimmt und auf verlässliche Daten baut, für den wird das ERP-Projekt zum Meilenstein der Digitalisierung – mit handfestem Mehrwert in Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit.

Quellen

[1] [2] [14] [15] [16] Ein Blick auf den ERP-Markt - ERP.de https://www.erp.de/erp-software/digitalisierung/blick-auf-den-erp-markt
[3] ERP- und Wirtschaftsstudie: Projekte sind für Unternehmen kaum ... https://www.planat.de/ueber-uns/presse/presse-detail/erp-und-wirtschaftsstudie-projekte-sind-fuer-unternehmen-kaum-noch-kalkulierbar-1
[4] Kosten für ERP Lösungen summieren sich - IT-Matchmaker News https://news.it-matchmaker.com/erp-kosten-laeppern-sich/
[5] Panorama Releases Latest Study Of ERP Implementation Outcomes https://www.panorama-consulting.com/panorama-consulting-group-releases-latest-study-of-erp-implementation-outcomes-across-the-globe/
[6] [7] [10] [30] [65] Was kostet ein ERP System? https://erpscout.de/erp-kosten/
[8] [9] [35] [37] [38] [41] ERP Statistics 2023 https://parsimony.com/blog/erp-statistics-2023
[11] ERP Kosten im Mittelstand: Was ein ERP-System wirklich kostet und wie Sie teure Fehler vermeiden - UBK GmbH https://ubk.gmbh/erp-kosten-verstehen-vermeiden-leitfaden-fuer-unternehmen/
[12] [13] [18] Die besten ERP System Anbieter im Vergleich https://erpscout.de/erp-anbieter/
[17] Der aktuelle Marktanteil von ERP-Software: Eine umfassende Analyse https://www.software-mittelstand.info/der-aktuelle-marktanteil-von-erp-software-eine-umfassende-analyse/
[19] [20] [22] [25] [31] [58] [59] [60] [61] [62] ERP: 13 Stolperfallen und Auswege https://itwelt.at/knowhow/erp-13-stolperfallen-und-auswege/
[21] [23] [24] [26] [27] [28] [29] [45] [46] [63] ERP implementation failure reasons: avoid costly mistakes https://www.ecisolutions.com/blog/the-2-million-mistake-why-70-of-erp-implementations-fail/
[32] [33] [39] [40] [42] [47] [48] [49] [50] [64] Top ERP Insights & Statistics | RubinBrown ERP Advisory Services https://kpcteam.com/kpposts/top-erp-statistics-trends
[34] [44] [66] The 2023 ERP Report https://4439340.fs1.hubspotusercontent-na1.net/hubfs/4439340/Reports/ERP%20Report/2023-ERP-Report-Panorama-Consulting.pdf
[36] ERP pays for itself--fast - Nucleus Research https://nucleusresearch.com/research/single/erp-pays-for-itself-fast/
[43] [54] [55] [56] ► Die interessantesten ERP-Statistiken 2024 | SYNERPY GmbH https://www.synerpy.com/cm/ratgeber/erp-statistiken-2024/
[51] [52] [53] [57] ERP-Software-Studie 2024: KI-Integration verändert ERP-Systeme https://www.industr.com/de/erp-software-studie-2024-ki-integration-veraendert-erp-systeme-2768666