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Die Kosten einer ERP-Einführung
Die Entscheidung für ein neues ERP-System ist häufig mit großen Erwartungen verbunden: effizientere Prozesse, mehr Transparenz und zufriedenere Mitarbeiter. Doch bevor der erste Anbieter kontaktiert wird, sollten sich Unternehmen über die folgende Frage Gedanken gemacht werden: “Was kostet uns ein ERP-Projekt wirklich?”
Eine fundierte, initiale Budgetschätzung ist der erste entscheidende Schritt für ein erfolgreiches ERP-Projekt, denn sie schafft die Basis für interne Entscheidungen, Projektfreigaben und spätere Verhandlungen mit Anbietern. In der Praxis wird dieser Schritt jedoch häufig nur halbherzig und in den meisten Fällen zu optimistisch vorgenommen. Dabei gibt es einfache bewährte Ansätze, mit denen Unternehmen bereits im Vorfeld eine belastbare Größenordnung ermitteln können.
Wird das Budget zu niedrig angesetzt, ist die Enttäuschung oft groß – spätestens, wenn die ersten Anbieterangebote deutlich höhere Kosten offenlegen. In der Folge werden mitunter essenzielle Projektbestandteile – etwa eine Auswahlbegleitung oder Change Management „wegverhandelt“ oder gar gestrichen. Im schlimmsten Fall wird das Projekt gestoppt.
Orientierung durch Erfahrungswerte und Faustformeln
Vor dem Start eines Auswahlprojektes helfen branchenübliche Erfahrungswerte, um ein Budget für die Einführung zu kalkulieren. So zeigen Studien und Praxisprojekte für den Mittelstand, dass:
- pro Arbeitsplatz zwischen 5.000 - 15.000 Euro an einmaligen Anschaffungskosten inkl. Einführung angesetzt werden können. Je nach Komplexität der Anforderungen, Unternehmensgröße und Anbieter sind die Werte an der unteren bzw. oberen Grenze anzusetzen.
- ca. 20-30% dieser Kosten auf den Lizenzkauf entfallen. Der verbleibende Anteil umfasst die Einführungskosten.
- die Projektdauer in der Regel bei 9–15 Monaten, je nach Unternehmensgröße und Projektumfang, liegt.
- im Betrieb zwischen 18 und 22 Prozent Wartungsgebühren pro Jahr (auf den Lizenzpreis) fällig werden .
Wichtig: Diese Kalkulationslogik basiert auf dem klassischen Lizenzkauf mit On-Premises-Betrieb – also dem Erwerb der Nutzungsrechte gegen eine einmalige Zahlung. Für diese Modelle sind die genannten Erfahrungswerte gut geeignet.
Ein Großteil der Anbieter hat sich allerdings von diesem Kostenmodell abgewendet und sich auf Mietmodelle, bei denen die Software über die Cloud genutzt und monatlich oder jährlich bezahlt wird, fokussiert. In solchen Fällen verschieben sich die Kosten stärker in die laufende Nutzung, während die Einstiegskosten häufig niedriger ausfallen – dafür aber dauerhaft Betriebskosten entstehen. Die oben dargestellte Logik ist auf solche Mietmodelle nicht direkt übertragbar, weshalb dort eine andere Kalkulationsmethodik notwendig ist. Das sollte bei der Budgetplanung unbedingt berücksichtigt werden.
Das Mietmodell: Flexibler Einstieg, aber laufende Kosten
Neben dem klassischen Lizenzkauf entscheiden sich heute immer mehr Unternehmen für das Mietmodell, meist in Form von Cloud- oder SaaS-Lösungen. Dabei wird die Software nicht dauerhaft erworben, sondern für eine monatliche oder jährliche Nutzungsgebühr bereitgestellt.
Diese Variante verspricht einen niedrigeren Investitionsaufwand zu Projektbeginn – dafür entstehen kontinuierliche Betriebskosten, die über Jahre hinweg eingeplant werden müssen.
Für die Kalkulation gelten folgende Erfahrungswerte:
- Kleine bis mittlere Unternehmen zahlen monatlich etwa 50 bis 100 Euro pro Nutzer, je nach Anbieter, Funktionsumfang und Vertragslaufzeit.
- Bei größeren ERP-Systemen mit höherer Komplexität oder branchenspezifischen Anforderungen können die Mietkosten pro Nutzer und Monat auf bis zu 200 Euro ansteigen.
- Zusätzliche Module wie CRM, DMS oder HR sind in vielen Fällen nicht im Basispaket enthalten und müssen separat lizenziert werden, was die laufenden Kosten weiter erhöht.
Auch im Mietmodell fallen Einmalkosten für Einführung, Schulung, Projektmanagement und Datenmigration an. Diese dürfen in der Kalkulation nicht übersehen werden – insbesondere, weil Mietpreise auf den ersten Blick günstig erscheinen, langfristig aber zu ähnlichen Gesamtkosten führen können, wie klassische Lizenzmodelle. Um ein erstes Budget abzuschätzen, lässt sich die für On-Premise-Projekte etablierte Faustregel anpassen. Da die Lizenzkosten entfallen, reduziert sich der Betrag pro Arbeitsplatz entsprechend. Für ein Einführungsprojekt sind daher 3.500 bis 13.000 Euro pro Arbeitsplatz zu kalkulieren.
Vollständige Kostenblöcke identifizieren
Die vorhergehenden Kosteneinschätzungen beschränken sich auf die typischen Implementierungskosten, die beim ERP-Anbieter anfallen. Für einen vollständigen Blick müssen aber alle Kostenkomponenten berücksichtigt werden. Eine gute Budgetschätzung berücksichtigt nicht nur die sichtbaren Kosten wie Softwarelizenzen und Beratertage. Wesentliche Positionen, die oft übersehen oder unterschätzt werden, sind:
- „Ersatzpersonal“ für Key-User während der Projektphasen
- Internes Projektmanagement
- Migrationsaufwände für Alt-Daten
- Archivierungskosten für Altsysteme
- Change Management und kommunikative Begleitung
- Prozessdokumentation
Je nach Unternehmen und Branche kommen zusätzliche branchenspezifische Anforderungen hinzu, etwa Zertifizierungen, Integrationen oder regulatorische Vorgaben.
Den Planungshorizont nicht zu kurz setzen
Ein häufiger Fehler in Budgetplanungen ist die Fixierung auf die unmittelbaren Einführungskosten. Dabei entstehen viele Kosten nicht beim Go-live, sondern in den Jahren danach: durch Systempflege, Erweiterungen, Anpassungen und vor allem durch den laufenden Betrieb.
Eine sinnvolle Budgetschätzung betrachtet daher einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren – das entspricht in etwa einem Lebenszyklusabschnitt eines ERP-Systems. So lassen sich neben einmaligen Kosten auch laufende Betriebsausgaben und zukünftige Investitionen realistisch einpreisen. So zeigt unsere Erfahrung, dass Mietlösungen schon nach wenigen Jahren im Kostenvergleich schlechter abschneiden. Sofern der präferierte Anbieter den Kauf der Software anbietet, sollte diese Option in Betracht gezogen werden. In der Praxis zeigt sich, dass die vermeintliche Flexibilität von Mietmodellen ihre Grenzen hat: Während zusätzliche Lizenzen meist unkompliziert ergänzt werden können, ist eine Reduzierung oft nur eingeschränkt oder gar nicht möglich.
Eine initiale Budgetschätzung ist Pflicht. Sie liefert Orientierung, schafft Klarheit und hilft, spätere Enttäuschungen zu vermeiden. Wer seine Kosten realistisch einschätzt, kann souverän entscheiden, konsequent verhandeln und sein Projekt auf ein wirtschaftlich stabiles Fundament stellen. Das ist keine Garantie für den Projekterfolg – aber eine zentrale Voraussetzung dafür.

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