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Mythen der ERP-Auswahl (Teil 2)
Nach dem regen Interesse an unseren Mythen geht es nun weiter mit dem zweiten Teil. Viel Spaß beim Lesen.
Mythos: Die ERP-Auswahl ist ein IT-Projekt und kein Organisationsprojekt
Regelmäßig schauen wir als Berater in fragende Gesichter, wenn wir die Geschäftsführung im Rahmen eines Erstgesprächs nach ihren strategischen Zielen befragen, die mit einem ERP-Projekt verfolgt werden. Denn ein ERP-Projekt umfasst, neben allen IT-Aspekten, auch viele organisatorische Fragestellungen, die berücksichtigt werden müssen. Ein Beispiel: Plant das Unternehmen in den nächsten Jahren die Expansion ins Ausland, ist dies ein relevanter Fakt, den das Unternehmen bei der ERP-Auswahl berücksichtigen sollte. Dabei geht es nicht nur Sprachfunktionalitäten des Systems, sondern vielmehr um z.B. gesetzliche Regularien, die je nach Branche, berücksichtigt werden müssen. Berücksichtigt das Unternehmen die Expansion bei der ERP-Auswahl nicht und wählt einen Anbieter, der keinerlei Erfahrung mit dem Zielland hat, führt dies unter Umständen zu Problemen. Ein zweites Beispiel sind Veränderungen im Geschäftsmodell. Plant ein produzierendes Unternehmen neue Produkte in anderen Fertigungsweisen herzustellen oder in das Vermietungsgeschäft einzusteigen, sind dies völlig andere Anforderungen an ein ERP-System. Diese zwei Beispiele zeigen, wie wichtig Unternehmensstrategische- sowie organisatorische Fragestellungen für das ERP-Auswahlprojekt sind.
Mythos: SAP & Microsoft bieten die besten ERP-Lösungen auf dem Markt an
Oft erreichen uns Anfragen zur Begleitung von ERP-Auswahlprojekten mit dem Nebensatz, es soll eine Microsoft- und/oder SAP-Lösung ausgewählt werden. In Deutschland gibt es mehrere hundert Anbieter von ERP-Lösungen. Es drängt sich also die Frage auf, wie hat der Kunde die Einschätzung getroffen, dass es sich bei diesen beiden Anbietern um die geeignetsten handelt? Damit wäre ein wesentliches Ergebnis eines ERP-Auswahlprojektes vorweggenommen. Natürlich sind SAP und Microsoft durchaus geeignete Systeme und durch die Vielzahl an Branchenlösungen und spezialisierten Partner auch in nahezu jeder unserer Auswahlprojekte enthalten. Dennoch sind es nicht per se die besten Lösungen für die Kundenbedarfe. Woher dieser Mythos stammt, wissen wir nicht. Festzuhalten ist, es ist wichtig zu beachten, dass die "beste" ERP-Lösung für eine Organisation von verschiedenen Faktoren wie Branche, Größe, Budget, technologische Präferenzen und Geschäftszielen abhängt. Gerade in Deutschland sollten wir den vielen tollen Systemen eine Chance in der ERP-Auswahl geben.
Mythos: Change Management braucht man frühestens in der ERP-Einführung
So so. Das ERP-System wurde also ohne die späteren Nutzer der Fachabteilungen ausgewählt und nun wird erwartet, dass alle Mitarbeitenden das "vorgesetzte" System gut finden. Veränderungsprozesse beginnen also erst, wenn ein Projektleiter den Startschuss dazu gibt? Fehlanzeige. Ab dem Moment, in dem das Unternehmen entscheidet, eine neue Software einzuführen, findet Veränderung statt - selbst wenn es anfangs nur eine kleine Gruppe Mitarbeiter betrifft. Denn bereits in der Auswahl- und Vorbereitungsphase sollten wesentliche Stakeholder bereits identifiziert und einbezogen werden, um frühzeitig ihre Bedenken und Perspektiven zu verstehen. Eine gemeinsame Verständigung z.B. über Projektziele und Erfolgsfaktoren fördert die Akzeptanz und Unterstützung für das Projekt und reduziert potenzielle Widerstände. Zudem sollte diese Phase genutzt werden, um den Status Quo der Unternehmenskultur und Veränderungsbereitschaft der Organisation zu messen, um Bereiche mit dem größten Betreuungsbedarf sowie eine Priorisierung der Change Management Maßnahmen zu planen. Die Entwicklung von Kommunikationsstrategien, um die richtige (interne) Zielgruppe mit der richtigen Message zu erreichen ist ebenfalls Teil der Vorbereitungsphase. Change Management sollte so früh wie möglich starten, um auf allen Ebenen ein gemeinsames Verständnis für die Situation zu schaffen, Erwartungen zu klären und Vertrauen aufzubauen.
Mythos: Externe Beratung ist in der ERP-Auswahlphase nicht notwendig. Das schaffen wir allein.
Wie die vorangegangenen Mythen bereits gezeigt haben, ist eine ERP-Auswahl ein hoch strategisches Projekt. Ein neues ERP-System begleitet ein Unternehmen (hoffentlich) die nächsten 10-20 Jahre und ist die Basis für einen Großteil der geschäftskritischen Prozesse im Unternehmen. Für jegliche Art von Strategieprojekten werden Berater angeheuert. In Gesprächen zum Thema ERP-Auswahl hören wir oft: „Wir brauchen keine Beratung, das machen wir allein“. Aus unserer Erfahrung heraus werden dann viele Auswahlprojekte abgebrochen. Einer der häufigsten Gründe ist die fehlende Entscheidungsfindung oder der eine oder andere bereits benannte Mythos. Die Ursache liegt oft in einem unstrukturiertem Auswahlprozess und/oder fehlenden Entscheidungskriterien. Eine externe Beratung kann hier Nutzen stiften und mit einem etablierten Vorgehen und Fachkenntnis bei der Entscheidungsfindung helfen.
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